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BILDER VON UNS
THOMAS MELLE
Schauspiel Wuppertal

 

Regie: Henri Hüster
Bühne und Kostüme: Hanna Rode

Choreographie: Sylvana Seddig
Dramaturgie: Barbara Noth
Regieassistenz: Barbara Büchmann
Hospitanz: Lena Schimmele

mit Philippine Pachl, Alexander Peiler, Martin Petschan,

Konstantin Rickert, Julia Reznik, Lena Vogt, Stefan Walz

Fotos: © Uwe Schinkel & Hanna Rode

theater pur Dietmar Zimmermann 

Der erst 28jährige Regisseur Henri Hüster hat das Stück nun am Schauspiel Wuppertal nachinszeniert und deutlich prägnantere Bilder gefunden. Das beginnt bereits mit der Eingangs-Szene: Durch einen Gaze-Vorhang hindurch sehen wir, wie sich sechs der sieben Schauspieler um eine lebende griechisch-römische Statue mit einem Lendentuch gruppieren. Dieses Tuch wird Alexander Peiler bald abstreifen und dann lange Zeit vor uns stehen, nackt wie Gott ihn geschaffen hat. Denn Peiler ist Konstantin, und der ist schutzlos geblieben nach dem Missbrauch an seiner Schule; als einziger der fünf Klassenkameraden, von denen wir erfahren, hat er keine Strategie gefunden, mit der erniedrigenden Erfahrung umzugehen. Es gibt den Verdränger, den Aufklärer, den Bagatellisierer, den heutigen Knasti - alle sind oder waren sie erfolgreich. Und es gibt das Opfer, das niemals ins Leben zurückfand: Konstantin. Er wird sich das Leben nehmen und das Stück damit auf den Kulminationspunkt treiben. Kanonartig über Lautsprecher wird der Suizid geschildert. Die Wuppertaler verlassen in Scharen das Theater; der Connaisseur ist hingerissen, wieviel man aus dem schon in Bonn überzeugenden Text herausholen kann.

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Henri Hüster gelingt es auch, die gesellschaftspolitische Dimension des Textes präzise herauszuarbeiten.

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Wuppertal hat ein echtes Highlight im Programm. Diese Bilder von uns haben Tiefenschärfe und erscheinen gestochen klar.

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Wuppertaler Rundschau Nicole Bolz 19.10.17

Herausragend ist aber vor allem die Leistung von Alexander Peiler als psychisch desolater Konstantin. Wie er erst 40 Minuten regungslos mit erhobenem Arm wie ein junger Gott als Brunnenskulptur posiert, um dann — komplett nackt — die ganze Verzweiflung eines Missbrauchten zu offenbaren, den Schmerz und die Verzweiflung herauszubrüllen, sich zu winden und zu krümmen, das ist schon großes Kino! Ebenbürtig, wenn auch hier nur kurz erwähnt, die Leistungen von Julia Reznik, Lena Vogt und vor allem Philippine Pachl.

Der junge Regisseur Henri Hüster lässt seine Figuren vor allem über ihre Körper erzählen. Er stellt sie vor verzerrte Masken, lässt sie eindringlich zittern und mit den Armen um Halt rudern, krampfen und verrenken. Schmerzen, wohin man blickt. Dort wird gesagt, was ansonsten unausgesprochen bleibt, auch wenn viel geredet wird. Diese Körperlichkeit tut dem theoretischen Diskurs gut, der so viele Fragen verhandeln will. Wo beginnt der Übergriff? Ab wann werden Leben traumatisiert? In was für einem System ist man aufgewachsen?

Bis an die Grenze des Erträglichen führt die Szene von Konstantins Tod. Über ein Tonband knattern ein paar Sätze in Endlosschleife. Wieder und wieder, bis man es kaum noch aushält. Quälend, ohne Ausweg. In seinem Abschiedsbrief steht: "Es gibt keine Erlösung." Dann wird es dunkel. Enthusiastischer Beifall für großes Theater auf der kleinen Bühne.

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